Schulhofkonzept

Schulhöfe heute - Eine erschreckende Bilanz

Schulhöfe sind oft öde, unstrukturierte Flächen, die den Schülern weder Halt noch Orientierung geben und sie in der Masse anonymisieren. Aus dieser grauen Masse aufzustehen, sich selbst und anderen die eigene Person in ihrer Einzigartigkeit zu zeigen, ist für viele Schülerinnen und Schüler oft nur möglich, indem sie schreien (lauter als die anderen), toben (wilder als die anderen), schubsen und schlagen (fester als die anderen). Nur wer andere überstimmt, oder sogar beherrscht, kommt zu Geltung – die anderen kommen weder zur Geltung noch zu sich selbst, sondern leiden und ballen die Faust in der Tasche. Ein Klima der Aggressivität und der Gewalt macht sich breit. Dieser Zustand wird natürlich von der Schulorganisation nicht hingenommen, sondern muss kontrolliert und reglementiert werden durch Pausenaufsichten. Effektive Aufsichten erfordern Übersichtlichkeit; Übersichtlichkeit erfordert wiederum einsehbare Flächen, auf denen sich niemand verbergen kann. Ein Teufelskreis!

Wie sehr sich diese Art der Schulgeländeart nicht nur auf die seelische, sondern auch auf die körperliche Gesundheit unserer Schulkinder auswirken kann, belegen seit Jahren die Statistiken des GUV. Nahezu jeder dritte Unfall passiert während der Pause! Demnach versagen gängige Schulhöfe weitestgehend als „Erholungslandschaft“. Sie sind sogar eher unfallgefährdend. Darüberhinaus wirken die meisten Schulhöfe weder auf Schüler noch auf Lehrer als attraktives Angebot für „Unterricht im Freien“ und bieten im Sinne einer multifunktionalen Nutzung für unterrichtliche Zwecke meist nur wenige Lernanreize.

Dieses düstere Bild von den Außenanlagen vieler Schulen zeigt, dass die bisher üblichen Wege der Planung, des Baus und der Pflege von Schulhöfen offenkundig in eine Sackgasse führen.

 


 

Wie empfinden die Schüler ihr Schule und ihr Schulgelände

Viel zu lange wurden Schulhöfe an den Bedürfnissen der Benutzer vorbei geplant und verwirklicht. Eintönig eingeebnete und großflächig versiegelte Schulhöfe erzeugen bei den Schülern Unwohlsein und Angst. Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenswelt äußert sich bei Kindern und Jugendlichen oftmals in aggressivem Verhalten und Gewaltbereitschaft.  Diese Aggressivität, wie wir sie heute oft kritisch beobachten, ist zum großen Teil hausgemacht. Sie rührt im Wesentlichen aus zwei Phänomenen:

 


 

Die Realität der Kinder in der modernen Welt

Der kindliche und vor allem jugendliche Wunsch, sich selbst zu beweisen und anderen zu zeigen, dass man etwas kann, kollidiert in unserer modernen Welt zu häufig mit einer erlebten Realität, in der Kinder als Gestalter nicht gefragt sind. Selbst die Plätze an denen Kinder ihre Freizeit verbringen werden in der Regel von Erwachsenen geplant und gebaut.

In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Freizeitwelt unserer Kinder drastisch verändert. Während viele aus unserer Elterngeneration die Nachmittage ihrer Kinderzeit wie selbstverständlich in Wald und Flur, am Bach, in Hecken oder auf der Wiese verbrachten und dabei in Bäumen herumturnten, Lager bauten oder Schiffchen schnitzten, fehlen diese vielfältigen Bewegungsmöglichkeiten und Begegnungen mit der Natur heute fast überall. Psychologen haben nachgewiesen, dass eine gesunde seelische Entwicklung unserer Kinder davon abhängt, ob sich „Eindruck“ (all das, was unsere Sinne an das Gehirn weitermelden) und „Ausdruck“ (Abrufen und Verarbeiten von Informationen aus dem Gehirn) im kindlichen Tagesablauf die Waage halten. Statt diese Erkenntnis zu nutzen, sitzt das bundesdeutsche Durchschnittsschulkind heute täglich rund 180 Minuten vor dem Fernseher, die Zeiten vor dem Computer noch gar nicht mit eingerechnet. In dem Maße, in dem unsere junge Generation ihre freie Zeit immer stärker für das Sammeln von Eindrücken nutzt, bleibt immer weniger Zeit für sie, diese Eindrücke zu verarbeiten. Die seelische Entwicklung kippt aus dem Gleichgewicht. Zahlreiche psychologische Symptome geben uns Hinweise auf eine Besorgnis erregende Entwicklung, Hyperaktivität ist dabei nur ein gesichertes Symptom.

Deshalb ist es wichtig, dass wir den Schülern wieder Räume bieten, in denen sie ihre vielen Eindrücke verarbeiten, gestaltend aktiv werden und damit zur Ruhe kommen können.

 


 

Projektgrundlage

Die Schule ist ein Lebensraum der Schülerinnen und Schüler, das Schulgelände ein wesentlicher Teil davon. Schule UND Schulgelände müssen als Gesamtraum begriffen werden: Kinder und Jugendliche sollen sich darin wohl fühlen und Verantwortung für ihren Lebensraum übernehmen können.

Um diese Erkenntnis in die Umgestaltung des Pausenhofes mit einzubeziehen und die früher gemachten Fehler zu vermeiden, folgt das Projekt den hier kurz beschriebenen Richtlinien.

Das Projekt arbeitet im Sinne und orientiert sich an der lokalen Agenda 21

Außerdem wird das Projekt ausgerichtet an den Grundthesen für die Gestaltung schülergerechter, bewegungsorientierter und naturnaher Schulhöfe

I. Ein Schulhof braucht großflächige Entsiegelung

Ein Schulhof für Kinder und Jugendliche sollte vom Untergrund her so gestaltet sein, dass Regenwasser großflächig versickern kann. Dadurch werden nicht nur die natürlichen ökologischen Prozessen unterstützt sondern es reduzieren sich auch drastisch die Sturzunfälle der Schüler.

II. Benuterbeteiligung ist pädagogisches Muss bei Planung, Bau und Pflege

Damit Kinder und Jugendliche die Freiräume bekommen, um ihre vielfältigen Eindrücke kreativ und konstruktiv verarbeiten zu können, sollen sie aktiv einbezogen werden in Planung, Bau und Pflege des Pausenhofes. Außerdem verbessert die aktive Einbindung der Schüler die Arbeitsatmosphäre an der Schule entscheidend.

III. Eine Schulhoflandschaaft benötigt eine natürlich wirkende Geländemodellierung

Wenn eine Ursachen für Verletzungen auf Schulhöfen in der Laufgeschwindigkeit der Schülerinnen und Schüler durch zielloses Herumrennen liegt, dann drängt sich die Geländemodellierung sichtlich auf. Sie ermöglicht die Gliederung in Erlebnisräume. Es entstehen kleine Nischen in denen sich die Schüler wohl fühlen können. Ganz besonders wichtig sind Hügel, die einen Überblick über das Geschehen und vielfältige Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten ermöglichen.

IV. Eine Raumgliederung in Erlebnis- und Bewegungsräume hilft Unfälle zu vermeiden

Pädagogisch sinnvolle Planungskonzepte für Kinder und Jugendliche weisen eine adressatenorientierte Raumgliederung auf, ein, die sich an altersunabhängigen Nutzungsbedürfnissen aller Beteiligten orientiert (siehe nächster Punkt).

V. Das Schulgelände wird zum Ort für

Vielfältige Spiel und Bewegungserlebnisse

Hierzu gehören unter anderem: Hügel und Täler, Klettersteine und –mauer, Kletterbäume und –geräte, Balancierstämme, Kriechtunnel, Kleinspielfeld, Schaukeln und Wippen, Schwingseil, Hüpfpalisaden, Torwand, Rutsche
Ein naturnah bepflanztes und gut modelliertes Gelände bietet unglaublich viele Anreize für Spiel und Bewegung. Man kann Hügel rauf- und runterlaufen und hierzu alle möglichen Rollenspiele erfinden- vom Verstecken hinter der Trockenmauer bis hin zur Erorberung der feindlichen Burg. Man kann über Felsen oder Mauern klettern. Ein umgelegter Baumstamm lädt ein zum Balancieren.

Ruhe und Kommunikation

Ruhepunkte sollten auch im Gelände an ruhigen Stellen liegen. Nimmt man sie aus dem Geschehen heraus, indem man sie mit Hügeln umwallt, eintieft oder erhöht, entstehen auf natürliche Art Orte der Stille oder man unterbricht größere Flächen mit Ruheelementen, um so Hektik und Geschwindigkeit herauszunehmen.

Naturerlebnisse

Zu diesem Bereich passen unter anderem Elemente  natürliche Wege und Plätze, Hügel und Täler, natürliche Brücken und Stege, Wasser, Wildblumenbeete, Kleingehölze, Labyrinth aus Weiden, Nutzgarten, Feuerplatz, Backofen.

Kreativität

In den kreativen Gestaltungsbereich fallen unter anderem Elemente wie Sand und Kies, Steine, Holz, Pflanzen, Weidenruten, Kunstobjekte. Für diesen Bereich braucht es oft gar keine eigenen Plätze. Denn ein fantasievoll modelliertes Gelände mit vielen Rückzugs-, Bewegungs- und Spielmöglichkeiten ist die beste Basis für Kreativität. Die Pflanzen und die verwendeten naturnahen Baumaterialien bieten Stoff für allerhand Fantasiereisen.

Vl. Der beste Schulhof ist einer, der nie fertig wird

Das beste Außengelände ist eines das niemals fertig wird, eines, das sein Gesicht in einem lebendigen Prozess immer wieder verändert, eines, das so lebendig ist wie die Natur und die Kinder selbst. Auf einem solchen Gelände finden alle „Bewohner“ immer wieder auch „offenen Boden“ vor, freie Flächen, auf denen sie mit einer eigenen Idee kreativ und konstruktiv Wurzeln schlagen können. Um die Veränderbarkeit des Geländes zu gewährleisten müssen natürlich, wo möglich, Fixierungen aus Mörtel oder Beton vermieden werden.